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Harte Schnitte, neues Wachstum – Kolumne von Mira Kolenc

Mira Kolenc

Wer kennt ihn nicht, diesen Wunsch nach Veränderung, aber mit einer neuen Haarfarbe ist es nicht getan. In Hollywood bestellt man sich in diesem Fall ein neues Gesicht – also in der Regel trinkt man dafür einfach nur „ganz viel Wasser“ – und spielt das Spiel „Wer war ich einmal“ mit seiner Umgebung.

„Es ist eben so: Veränderung auszurufen ist nicht schwer, Veränderung umzusetzen dagegen sehr. Und das alles nur, weil die Umgebung so gar keine Lust hat auf das veränderungswütige Individuum.“

Ob es die ersehnte Befriedigung bringt, weiß ich nicht, da müsste ich schnell einmal bei Uma nachfragen. Immerhin wird man eine kurze Zeit für einen anderen Menschen gehalten, ein Bedürfnis, das einen nicht nur als Hollywoodgröße plagt. Oder haben Sie schon einmal einen Neuanfang in Wien probiert? Da kann man sich auch nur entscheiden, ob man die Wohnung nie wieder verlassen oder sich bis zur Unkenntlichkeit umzugestalten möchte. Es ist eben so: Veränderung auszurufen ist nicht schwer, Veränderung umzusetzen dagegen sehr. Und das alles nur, weil die Umgebung so gar keine Lust hat auf das veränderungswütige Individuum. Wieso auch, es war doch bisher alles gut so wie es war. In einer Stadt, wo man noch bis 1998 bei Staatsempfängen von den kaiserlichen Gedecken gespeist hat, darf man ohnehin in Sachen „Veränderungsbegeisterung“ nicht zu viel erwarten.

„Die gute Nachricht ist, dass wir uns im Laufe des Lebens noch häufiger selber werden überraschen können, so festgefahren sind wir nämlich gar nicht. Die weniger gute ist, dass man das Neue seltener im Alten wird finden können. Und das Alte weniger begeistert sein wird über den „überraschenden“ Sinneswandel.“

Berechtigterweise könnten Sie jetzt einwenden, dass man sich selbst sowieso nie entkommen könne, selbst mit einem neuen Gesicht nicht. Es im Grunde also nicht um die Veränderung der Umgebung oder der Fassade geht, sondern um das innerste Innere. Genau, es geht um die „richtige Haltung“. Das zumindest machen uns Lebensratgeber und sonstige Quellen, die mit „guten Ratschlägen“ nicht geizen, unmissverständlich klar.

Wenn wir nur wollen, können wir aus jeder Tasse schlechten Kaffee einen ultimativen Genuss machen und in Steinwüsten blühende Landschaften sehen. Bis einem dann mal während eines Schneesturms die Füße einfrieren, weil man sich Strand und Meer vorgestellt hat und zu spät bemerkt, dass das kein Sand ist zwischen den nackten Zehen. Am Ende weiß man, Imagination allein reicht eben doch nicht aus und sogar die „richtigste Haltung“ kann auch zu Haltungsschäden führen.

Seitdem ich erst vor Kurzem einem weiteren Mann mit Babywagen, samt frischem Inhalt, in die Arme lief, der doch die längste Zeit seines Lebens kategorisch eigene Kinder ablehnte, bis zu diesem schicksalhaften Beziehungswechsel, ja spätestens seitdem weiß ich, der Mensch steckt voller ungeahnter Überraschungen. Vor allem dann, wenn sich etwas in seinem Leben ändert.

Bliebe noch die Frage zu klären, ob sich erst der Geist verändert und dann die Umgebung oder erst die veränderten Umstände den Geist, aber wen interessiert das wirklich?
Sicher ist doch, dass wir uns so oder so nicht drücken können vor der Veränderung. Oder um es mit Worten aus meiner Pathos-Mottenkiste zu sagen: Leben ist Veränderung. Die gute Nachricht dabei ist, dass wir uns im Laufe des Lebens noch häufiger selber werden überraschen können, so festgefahren sind wir nämlich gar nicht. Die weniger gute ist vielleicht, dass man das Neue seltener im Alten wird finden können. Und das Alte weniger begeistert sein wird über den „überraschenden“ Sinneswandel und gerne die Enttäuschung darüber als sichtbare Leuchtreklame mit sich herumträgt. Aber was soll‘s, die Thurman muss da jetzt mit ihrem neuen „mühelosen Pariser Chic“ auch durch. Sometimes change is everything.

Foto/Video: Oskar Schmidt.

Geschrieben von Mira Kolenc

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