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Abseits der binären Geschlechterrollen

Abseits der binären Geschlechterrollen

Ich lebe seit vielen Jahren nicht-binär, ohne gesellschaftliche bzw. kulturelle, geschlechtsspezifische Ge-/Verbote und Gender-Stereotype zwischen den Geschlechtern. Begriffserklärung.

Im Gegensatz zu typischen Männern wurden meine Östrogen-Rezeptoren nach der Pubertät nicht vom Testosteron beschädigt, sondern blieben intakt, was dazu führte, dass der Körper selbst Östrogen produziert, zu einer weiblichen Fettverteilung und Körperbehaarung führt und Rundungen aufweist. Diese habe ich lange Zeit versucht wegzutrainieren, aber mittlerweile stehe ich dazu und bin stolz auf das, was ich bin und wie ich aussehe. 

Die binären Geschlechterrollen

Anders als Transsexuelle imitiere ich nicht die Stimme und Gestik des anderen Geschlechts. Ich trage keine Perücke, muss nichts ausstopfen und kleide mich einfach danach, was meinem Körper passt, ganz egal, ob es aus der Damen, oder aus der Herrenabteilung ist. Die Körperform gibt die Kleidung vor, nicht das geborene Geschlecht. Im alltäglichen Leben wurde ich bisher weder blöd angeschaut, noch diskriminiert. Erst seit meiner wöchentlichen Genderqueer-Kampagne, meinem Einsatz für Gleichberechtigung, MeToo Opfer, das dritte Geschlecht und steigernder Medienpräsenz kommt es zu Beleidigungen und Bedrohungen in der digitalen Welt, ironischerweise selbst von der Transgender-Community. Mittlerweile habe ich sogar ernstzunehmende Morddrohungen erhalten.  

Bereits in meiner Kindheit habe ich mich mit Mädchen besser verstanden, als mit Jungs. Die Rituale, die Entwicklung und Eigenarten der Burschen in der Pubertät waren nie das meine. Statt Fußball und Sport interessierte ich mich mehr für künstlerische Sachen, aber auch für Fashion und Kosmetik. 

Ein Mann soll pragmatisch, stark und vernünftig sein. Aber einer Frau wird es zugestanden, kreativ, emotional und verrückt zu sein und sich jeden Tag in Form von Kleidung und Kosmetik neu zu definieren. Alles, was Spaß macht, scheint dem weiblichen Geschlecht vorbehalten zu sein. Ich schminke mich nach Lust und Laune, trage, was ich will, epiliere meine Beine und Achseln und lackiere mir auch gern die Nägel. Es macht mir einfach Spaß und ich habe noch nie verstanden, warum dies ein Exklusivrecht der Frauen sein soll. Es geht nicht explizit um Kleidung oder MakeUp, sondern um die grundsätzliche Freiheit, es machen zu können, wenn man will.

Blickt man in die Vergangenheit, so ist es noch nicht so lange her, als rosa und rot typisch maskuline Farben waren und sich das männliche Geschlecht schminkte bzw. die schönsten Kleider und Schuhe trug. Nur hat man ihnen damals deswegen nicht ihre Männlichkeit abgesprochen. Es war ein Zeichen von Macht und Stärke.

Gleichberechtigung

Es ist nichts Beschämendes daran, sich für derartige Dinge zu interessieren. Wenn es so wäre, müssten sich rund 52% der Weltbevölkerung tagtäglich in Grund und Boden schämen. Der Kampf um Emanzipation begann einst mit dem Tragen der Hose. Frauen sind entspannter was Bisexualität betrifft (während bisexuelle Männer als verkappte Schwule gelten) und treten oft, zB. beruflich, männlich auf, was die Gesellschaft begrüßt und als „tough“ bezeichnet. Aber wehe, ein Mann zeigt auch nur entfernt weibliche Attribute, dann geht scheinbar die Welt unter. Und das wird einem schon als Kleinkind im Kindergarten antrainiert.

Gäbe es eine wahre Gleichberechtigung, würden Männer, die ihre weibliche Seite zeigen, nicht diskriminiert und bedroht werden. Es sind speziell Frauen, die zwar immer mehr Rechte fordern, aber auf ihre Privilegien im alltäglichen Leben nicht verzichten wollen. Gleichberechtigung ist mehr als der Gender-Pay-Gap, sie beginnt mit elementaren Dingen des Alltags wie die freie Wahl der Kleidung. 

Schon die Naturvölker unterschieden in bis zu 5 Geschlechter. Es waren die christlichen Missionare, die der Welt die binären Geschlechterrollen aufzwangen. Es gibt nichts, was nur männlich oder nur weiblich ist. In jedem Menschen stecken sowohl die einen als auch die anderen Anteile. Frauen leben diese auch frei aus. Männer hingegen trauen sich das nicht, es gibt aber laut über 350.000 themenverwandten Einträgen in deutschsprachigen Internetforen und eine aktuelle Reddit Umfrage mit über 10.000 Kommentaren bestätigt eine zunehmende Masse, die sich dies wünscht bzw. im Geheimen auslebt. Ich stehe dazu, denn Weiblichkeit sollte nichts sein, für was man sich schämen müsste.

Wir leben in einer Welt, in der das Gehirn als Zentrum für alles, was den Charakter eines Menschen ausmacht, steht. Aber gerade dem empfundenen Geschlecht, wenn es vom Geborenen abweicht, wird keinerlei Glauben geschenkt. Für mich ist das Geschlecht eine Symbiose aus Geist und Körper. Geschlecht ist keine Binarität, es ist ein Spektrum, wie auch aktuelle wissenschaftliche Studien belegen. Weder die DNA noch die Chromosomen sind vollends entschlüsselt, wieso also weigern sich so viele daran zu glauben, dass es mehr zwischen Mann und Frau gibt?

Es sind die Geschlechts-Stereotype, die Zwangs-Kategorisierung, das Schubladendenken und die familiär bzw. gesellschaftlich auferlegten Rollenbilder, die die Menschen krank machen.

Foto/Video: Alexander Hölzl.

Geschrieben von Alexander Hölzl

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