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Kompromisse – Kolumne von Gery Seidl

Gery Seidl

Ein Kompromiss ist die Lösung eines Konfliktes durch gegenseitige freiwillige Übereinkunft, unter beiderseitigem Verzicht auf Teile der jeweils gestellten Forderungen.
So definiert sich dieses Wort. Klingt gut, wird nur leider sehr selten erreicht. Speziell die Freiwilligkeit und der BEIDSEITIGE Verzicht zum Erreichen eines solchen. Für mich geht es dabei um Verantwortung.
Bei der Betrachtung unserer gesellschaftlichen Entwicklung befällt mich jedoch oft das Gefühlt, dass der Mensch immer mehr bereit ist Verantwortung abzugeben. Freiwillig, denn noch wird sie ihm nicht mit Gewalt abgenommen. Noch!

„Jemandem Anderen die Verantwortung in schwierigen Fragen zu überlassen klingt sehr gemütlich, doch darf man sich dann nicht beschweren, wenn sich die Entscheidung nicht mit der eigenen Idee deckt – so man überhaupt eine hat.“

Jemandem Anderen die Verantwortung in schwierigen Fragen zu überlassen klingt sehr gemütlich, doch darf man sich dann nicht beschweren, wenn sich die Entscheidung nicht mit der eigenen Idee deckt – so man überhaupt eine hat. Geben wir unserem Staat, oder der Staaten-Gruppe der wir uns verschrieben haben das Recht über uns zu entscheiden, wird uns dieser Gedanke nur dann mit dem Gefühl der Geborgenheit begleiten, wenn wir merken, dass man nur das Beste für uns will. Darin sehe ich auch schon das erste Problem. Was ist das Beste und wer ist uns?

Interessen sind oft diametral bei vermeintlich ein und derselben Sache. Man denke nur an die Lohnverhandlungen der Metaller, an TTIP oder Ceta. Bei so großen Themen gibt es tausende Interessen, Lobbys, Seilschaften, mögliche Gewinner und Verlierer. Wie also eine Lösung finden, bei der es keine Verlierer gibt, ohne die ganze Wahrheit zu verraten?
Entscheidungsträger berufen sich auf Experten. Experten berufen sich auf Gutachten, und Gutachter womöglich auf ein Gesetz, auf das, was man kennt oder darauf wo man hin will. „Man“. Schon wieder eine Variable.

Die Fleischindustrie will die Bevölkerung mit Fleisch füttern. Mit viel Fleisch, welches sie so gewinnbringend als möglich erzeugt. Der Bauer in Paraguay möchte eigentlich nur sein Feld behalten dürfen, mit dem es seiner Familie seit Generationen gelungen ist den Lebensstandard zu sichern. Wer wird wohl gewinnen?

Gebe ich mit bestem Wissen und Gewissen die Verantwortung ab, kann ich nur hoffen, dass es zwischen dem Profit am Fleischmarkt und dem Leben des Bauers fair abläuft. Da ich jedoch erkenne, dass es speziell in diesem Fall anders läuft habe ich Bedenken. Was also kann man tun, wenn dich deine Vertreter nicht mehr so vertreten wie du dir das vorstellst?

Folgende Möglichkeiten:
1. Ich kaufe Fleisch entweder nur mehr dort, wo es sich nachweislich um eine Fleischproduktion handelt, die ich mit meinen moralischen Werten vertreten kann.
2. Ich höre auf Fleisch zu essen.
3. Ich züchte selber mein Vieh, schlachte und verarbeite es, oder aber
4. ich werfe meine moralischen Werte über den Haufen.

Ohne es mit einer Statistik zu untermauern ist gefühlsmäßig der vierte Punkt, der am meisten angewendete. Zum einen passiert die Fleischproduktion unter Ausschluss der Öffentlichkeit, da von staatlicher Seite kein großes Interesse zu erkennen ist, uns medial die Qual einer Sau von seiner Geburt bis zu ihrem Tod, näher zu bringen. Bei der Zigarette ist das interessanter Weise schon etwas Anderes. Unzählige Beispiele hätten hier Platz.

„Würde man mit dem Frieden Geld verdienen, wünsche ich allen, die daran beteiligt sind, große Gewinne. Doch die Geschichte lehrt uns, dass mit der Wahrheit noch keiner reich geworden ist.“

Ohne es mir an dieser Stelle zu leicht machen zu wollen, vermute ich jedoch hinter 100 Prozent aller Entscheidungen den Faktor Geld. Vielleicht ist das auch in Ordnung und wir müssten nur das Vorzeichen ändern. Würde man mit dem Frieden Geld verdienen, wünsche ich allen, die daran beteiligt sind, große Gewinne. Doch die Geschichte lehrt uns, dass mit der Wahrheit noch keiner reich geworden ist. So bleibt unserer Generation nur, eine neue Geschichte zu schreiben. Nicht aufhören Fragen zu stellen wenn Dinge nicht klar sind, bis es denen, die vergessen haben, dass es eine „gegenseitige freiwillige Übereinkunft, unter beiderseitigem Verzicht auf Teile der jeweils gestellten Forderungen“ ist, die dafür sorgen soll, dass es ALLEN gut geht. Das klingt nicht nach Realität, dafür nach einem Traum.

„Frage bei jeder Idee, woher sie kommt und bei jeder Organisation, wem sie dient.“
Bertolt Brecht

Ich bin so frei und schließe mit einem Brecht Zitat: „Frage bei jeder Idee, woher sie kommt und bei jeder Organisation, wem sie dient.“ Ich glaube alleine dadurch können wir viel Unheil verhindern und unser Schicksal wieder selber in die Hand nehmen. Der Einzelne ist nicht für die ganze Welt verantwortlich, wohl aber dafür was er tut. In diesem Sinne handeln wir in Zukunft so, wie wir es uns von unserem Gegenüber wünschen. Die Frage, warum wir nichts gemacht haben – damals. Die kommt bestimmt.

Foto/Video: Gary Milano.

Geschrieben von Gery Seidl

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