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Mein, Dein, Unser – Kolumne von Mira Kolenc

Mira Kolenc

Wenn man sich einmal einen Menschen erarbeitet hat – nein, stimmt nicht – wenn man einmal in der Liebeslotterie gewonnen hat und dann überlegt, was man mit seinem Treffer denn anstellen soll (Sie wissen ja, es ist mit der Liebe so wie mit einem großen Lottogewinn: schön und belastend zugleich), also wenn einem einmal ein Mensch zugefallen ist, ob nun durch Zufall oder Schicksal bleibt einmal dahingestellt, mit dem man die Idee eines gemeinsamen Weges teilt, weiter als bis zur nächsten Bar, dann stellen sich ja erst die wahren Herausforderungen der Liebe ein. Das ist selbstverständlich landläufig bekannt, das musste uns Hollywood nicht erst beweisen.

„Wenn einem einmal ein Mensch zugefallen ist, mit dem man die Idee eines gemeinsamen Weges teilt, weiter als bis zur nächsten Bar, dann stellen sich ja erst die wahren Herausforderungen der Liebe ein.“

Über das Finden, wie über alles, was nicht genau erklärbar ist, gibt es die schönsten Märchen, über den Zustand danach eher nur klägliche Überlebensberichte, die eine fremdartige und raue Welt erahnen lassen. Als Neuankömmling in dieser Welt der „Bepaarten“ wird man von den Alteingesessenen meist einer scharfen Eingangsprüfung unterzogen, die aus vielen Fragen besteht und einzig das Ziel zu haben scheint, die Ernsthaftigkeit der Einbürgerungswilligen zu überprüfen.

Es soll ja einmal eine Zeit gegeben haben, in der Paare, sofern sie es sich leisten konnten, vor allem eines wollten: einen großen räumlichen Abstand zueinander. Nicht nur, weil man sich vielleicht mehr arrangierte als liebte. Nein, man hielt eine höfliche Distanz zum anderen Ich, mit dem man ab und an verschmolz, aber sonst eben weiterhin vor allem die eigenen Leidenschaften und Marotten pflegte, die man sich im Laufe seines Lebens herangezüchtet hatte. Nur der Pöbel musste aufeinander sitzen und die ständige Anwesenheit des anderen erdulden.

Heute aber wird bereits im ersten Absatz der Eingangsprüfung über den Einwanderungsantrag auf Zuzug in die Welt der „Bepaarten“ die Frage nach der gemeinsamen Behausung verhandelt. Ganz ungeachtet der weit verbreiteten Geschichten von Paaren, die lange Jahre glücklich waren, bis dass sie eine gemeinsame Wohnung schied, also bis irgendeiner von beiden auf die Idee kam, gemeinsam vier Wände zu beziehen. Die Frage scheint gleichsam als Lackmustest für die Tiefe einer Liebesbeziehung gehandelt zu werden. Zusammenzug und gemeinsames Möbelstücke Aussuchen ergibt in der Gleichung dann die Lösung: große Liebe.

Männer mögen sich am Anfang vielleicht noch denken, dass durch die gemeinsame Behausung die Sexhäufigkeit zunimmt. Tapfer werden deswegen auch das pink plüschige oder weiß cleane Einrichtungskonzept, die Stoffteddysammlung, die Wandtattoos oder die haarende Katze in Kauf genommen. Die Damenwelt seufzt, das muss wahre Liebe sein, während sie unterm Tisch mit spitzem Bleistift die Kostenrechnung aufmacht und zum Ergebnis kommt, so eine gemeinsame Wohnung ist auch sehr viel billiger. Zumindest gefühlt. Außerdem dieses Pendeln zwischen zwei Orten ist doch auch eine schreckliche Zeitverschwendung, klagt sie, und freut sich später diese neu gewonnene Zeit mit gemeinsamen Fernsehschauen sinnvoll zu nutzen.

„Irgendwann räumt irgendwer dem anderen immer hinterher, der nach und nach in die Rolle des Feindes abgleitet.“

Wer liebt, möchte sich entgrenzen, mit dem anderen eins werden. Praktisch unmöglich, muss diese Sehnsucht dann eben auf Nebenschauplätzen verhandelt werden. Das gemeinsame Aussuchen der Couch, ein Gefühl von Zusammengehörigkeit. Das gemeinsame Aufbauen, der Kampf mit der Anleitung und dem Akkuschrauber, das Arbeiten an der vereinten Zukunft. Später, beim Aufräumen, Putzen, Einkaufen und Kochen, ist das Gemeinschaftsgefühl dann seltsamerweise weniger stark. Irgendwann räumt irgendwer dem anderen immer hinterher, der nach und nach in die Rolle des Feindes abgleitet. Die gewonnene Zeit wird nun für Diskussionen genutzt und dieses Gegenüber, das wir doch einst so entgrenzend liebten, behandeln wir selbstverständlich grenzenlos strenger, als wir es uns je bei einem unserer Freunde erlauben würden. Seltsam, was wir dem uns Liebenden alles glauben zumuten zu dürfen.

Warum sich also das Zusammenziehen nicht für die Zeit im Altersheim aufsparen, wenn man nicht mehr Berufsalltag und Liebe unter einen Hut bringen muss oder für eine gemeinsame Wohnung in Rom, wo man drei Monate im Jahr verbringt und den Ausnahmezustand genussvoll zelebriert. Ist ja nur einmal so eine Idee. Natürlich können Sie sich auch ein großes Herrenhaus anmieten, Personal einstellen und im eleganten Abstand den anderen noch Ich sein lassen. Denn weder Zusammengehörigkeitsgefühl noch Liebe sind proportional an räumliche Nähe gebunden.

Foto/Video: Oskar Schmidt.

Geschrieben von Mira Kolenc

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